Sarepta Nazareth

 

 

ZUKUNFT IST ALLES - ALLES IST ZUKUNFT

Die gesamte Gegenwart und Vergangenheit ist lediglich als ein Moment innerhalb eines größeren, zeitlich unbegrenzten Prozesses zu betrachten, dessen wesentlicher Aspekt die Zukunft ist. Um die Tragweite dieser Aussage zu erfassen und sich mit der Frage auseinanderzusetzen, welche Bedeutung Vergangenheit und Gegenwart tatsächlich besitzen, bedarf es des Innehaltens und der Reflektion.

Rund 150 Jahre Zukunftsgestaltung haben wir erfolgreich gestaltet, und es gibt die Stiftungen noch. Wie oft musste im Laufe der Zeit festgestellt werden, dass das, was in der Vergangenheit gut und richtig war, keine Zukunft mehr hat. Für die Entscheidungen, was so bleiben kann und was abgeschafft werden muss, bleibt allerdings nur der flüchtige Augenblick der Gegenwart. Dabei ist die Frage, wie eine Organisation zukunftsfähig bleiben könnte, eine existentielle. Besonders, wenn sich die wirtschaftlichen, sozialen, ökologischen und politischen Parameter signifikant ändern, geht es nicht mehr nur um Optimierung der gewohnten Prozesse, sondern es geht darum, sich neu auszurichten. Vertraute Wahrheiten sind darauf zu überprüfen, ob sie noch Bestand haben, oder ob sie verworfen werden müssen.

In diesem Kontext ist für uns die Frage nach den konstitutiven Merkmalen der diakonischen Kultur im Allgemeinen und der diakonischen Gemeinschaften im Besonderen von entscheidender Bedeutung. Diese Merkmale beruhen nämlich auf verbindlichen Glaubensvorstellungen oder zumindest auf verbindlichen moralischen Übereinkünften, die immer wieder neu ausgelegt und dargestellt werden müssen.

Auf diesem Hintergrund ergeben sich Zukunftsthemen, mit denen sich die Stiftungen mit ihren Gemeinschaften und Geschäftsfeldern nicht nur auseinandersetzen, sondern die sie umsetzen müssen. Fragen zur Finanzierung sozialer Arbeit sowie die Auseinandersetzung mit ökologischen Fragestellungen sind dabei von Relevanz. Letztere manifestieren sich insbesondere bei der Planung von Neubauten und der Instandhaltung von Gebäuden und Einrichtungen. Aber auch im Pflegealltag spielen diese Fragen eine zunehmende Rolle. Die Fort- und Weiterbildungsabteilungen reagieren auf solche Themen und bieten Plattformen zur Auseinandersetzung und Ideenfindung an.

Im diakonischen Bereich sollte die Erkenntnis, dass Personal keine Ressource ist, die man verbrauchen kann, als selbstverständlich gelten. Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass die Arbeit in diakonischen Einrichtungen hohe Anforderungen an die seelischen und körperlichen Ressourcen der einzelnen Mitarbeitenden stellt. Diese Erkenntnis wird zunehmend Gegenstand der Betrachtung, damit dem etwas entgegengesetzt werden kann. Die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen ist ein Beispiel dafür.

Zukunftsthema konstitutive Merkmale diakonischer Arbeit

Die Rolle der Gemeinschaften

Die Diakonie als sozialarbeiterische und –pflegerische Arbeit evangelischer Prägung, wie wir sie heute kennen, ist vor knapp 200 Jahren entstanden. Sie hat sich seitdem – und da kann ich an den Jahresbericht 2022/2023 anschließen – immer wieder verändert und weiterentwickelt. Das ist eines ihrer konstitutiven, also grundlegenden Merkmale. Dieses semper reformanda gilt für die Kirche ebenso wie für die Diakonie und damit auch für die diakonische Arbeit.

Arbeit mit und für Menschen muss sich immer orientieren an den individuellen Bedarfen der um Unterstützung, Begleitung oder Bildung anfragenden Menschen. Das war schon immer so, das ist heute nicht anders und wird sich auch zukünftig nicht ändern. Natürlich aber haben sich die Bedarfe der Menschen in und mit der Zeit verändert; werden Themen wie digitale Bildung und digitale Teilhabe erst seit wenigen Jahren gefordert, stehen Themen wie Gleichberechtigung und Selbstbestimmung schon seit Jahrzehnten auf der Tagesordnung und gehören zum Curriculum in jeder Ausbildung oder Studium, das Menschen qualifiziert, um in der Diakonie tätig zu werden. Sich verändernde Bedarfe ziehen sich verändernde Leistungen und Angebote nach sich.

Das, was zunächst wie ein Automatismus, zumindest aber wie eine Selbstverständlichkeit klingt, ist bereits in den biblischen Grundlagen, auf die diakonisches Tun und Handeln sich bezieht, angelegt: Es sind der Lahme, der wieder gehen können soll, die Stumme, die wieder gehört werden soll, der Blinde, dem seine Umgebung wieder sichtbar werden soll, und die Aussätzige, die wieder am Leben in der Gemeinschaft teilhaben können soll. Diese Basics galt und gilt es, immer neu zu übersetzen und mit den aktuellen individuellen, aber auch anhand der jeweiligen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen inhaltlich zu füllen.

Auch das ist nicht im Grundsatz neu, aber die Bedingungen ändern sich. Wenn wir in den ersten 150 Jahren diakonischer Arbeit im Wesentlichen von einer christlichen Sozialisation in weiten Teilen der Bevölkerung Deutschlands ausgehen konnten, verändert sich das in den letzten Jahrzehnten rasant. Hinzu kommen die neuen Mitarbeitsrichtlinien, die nicht mehr von allen Mitarbeitenden in der Diakonie die Mitgliedschaft in einer christlichen Kirche verlangen. Nicht, dass die Mitgliedschaft allein je der Garant dafür war, dass Menschen ihren Glauben praktizierten. Aber vermutlich hatten die meisten Mitarbeitenden irgendwann einmal irgendeinen Kontakt mit dem Christentum. Heute leben, lernen oder arbeiten in den Stiftungen Sarepta und Nazareth Menschen, die hier erstmals der christlichen Botschaft begegnen.

Daraus ergeben sich Handlungsbedarfe: Auf den ersten Blick hinsichtlich der Information und des Vertraut-Machens der Menschen mit den historischen, vor allem aber mit den inhaltlichen christlichen Werte und Grundhaltungen. Menschen, die bei uns Unterstützung, Begleitung oder Bildung suchen, kommen oftmals genau deshalb zu uns, weil wir Teil eines christlichen, eines religiösen Unternehmens sind. Wichtig ist daher, dass die Menschen, die bei uns arbeiten, dazu sprach- und sprechfähig sind. Dazu müssen wir sie ggf. entsprechend befähigen.

Umgekehrt bringen nicht alle Menschen in unseren Diensten, Einrichtungen und die Teilnehmenden an unseren Angeboten eine eigene christliche Prägung mit. Wenn wir auch ihnen gegenüber weiterhin von der guten Nachricht und dem Evangelium sprechen wollen, sind wir gefordert, neue Worte zu finden und andere als die bisherigen Wege zu gehen, damit wir uns gegenseitig verständlich werden und bleiben. Denn das ist ein weiteres konstitutives Merkmal diakonischen Arbeitens: die Kommunikation des Evangeliums in Wort und Tat. Hierfür müssen wir Räume schaffen, in denen dies möglich ist. Das können Andachtsräume sein, eigene oder die der benachbarten Kirchengemeinde, das sind aber auch die Räume der Einrichtung oder des Dienstes oder die Selbstverständlichkeit, mit der eine Veranstaltung mit einem geistlichen Impuls beginnt oder endet.

Die Kommunikation des Evangeliums kann in konkreten Formen wie geistlichen Impulsen zu Teamgesprächen, in Andachten, in Gottesdiensten oder Festen im Kirchenjahr geschehen. Vielfach begleiten diakonisch arbeitenden Mitarbeitende Menschen seelsorglich im Erleben und Verarbeiten von persönlichen Nöten, existentiellen Herausforderungen und Krisen. Sie nehmen dabei individuelle spirituelle Bedarfe religionssensibel wahr, oder sie bringen diakonische Dimensionen in Konzeptentwicklungen und in die Gestaltung der Organisationskultur ein. Noch weniger explizit, aber nicht weniger diakonisch ist die Arbeit in den ganz alltäglichen Vollzügen von Begleitung und Pflege, in der ethischen Reflexion von Entscheidungsprozessen, in der sozialräumlichen Vernetzung, in der Bildungsarbeit sowie in der Führung von Mitarbeitenden. Hier sind die Mitarbeitenden besonders gefordert, theologisch- und sozial-fachliche Kompetenzen miteinander zu verbinden.

Menschen, die für und mit anderen Menschen arbeiten, sie unterstützen, begleiten oder mit ihnen lernen, sind darauf angewiesen, selbst Räume zu haben, in denen sie eigene Stärkung und Versicherung erfahren. Ziemlich von Beginn der Diakonie an sind das insbesondere für Diakonissen, Diakoninnen und Diakone, aber auch für andere in Kirche und Diakonie arbeitende Menschen diakonische Gemeinschaften gewesen; das war und ist in den Stiftungen Sarepta und Nazareth nicht anders. Auch ein konstitutives Merkmal diakonischen Tuns und Handelns. Die Gemeinschaften bieten Gelegenheiten zum Austausch mit anderen Menschen, die in vergleichbaren Arbeitsfeldern tätig sind, laden ein zu geistlichen Angeboten, organisieren Veranstaltungen zu gesellschaftlichen, (sozial-)politischen und theologischen Themen und sind auf diese Weise mal Glaubens- und mal eher Dienst-, immer wieder aber auch Lebensgemeinschaft. Das wahrzunehmen oder auszuprobieren, sind alle in der Diakonie lebenden, lernenden oder arbeitenden herzlich eingeladen.

Beendigung der Entsendungspraxis in den Stiftungen Sarepta und Nazareth

Im Januar 2024 wurden die in Entsendungsverträgen berufstätigen Diakoninnen, Diakone, Diakonissen und Diakonische Schwestern (zu diesem Zeitpunkt 255) darüber informiert, dass der Vorstand sowie die Direktion der Stiftungen Sarepta und Nazareth die Beendigung der Entsendungspraxis beschlossen haben. Dieser Entscheidung ist ein mehrjähriger Prozess der Beratung und Prüfung vorausgegangen (Projekt Zukunft Entsendungen 2017/18, vgl. Jahresbericht der Stiftungen Sarepta und Nazareth 2017/18), der nun in 2023 zu dem dargestellten Ergebnis geführt hat.
Die Beendigung der Entsendungspraxis ist ein gravierender Einschnitt in der Geschichte der Stiftungen Sareptas und Nazareths. Bei uns wie in anderen Mutter- bzw. Brüderhäusern war das Entsendungsprinzip konstitutives Merkmal. Tausende Schwestern und Brüder waren über viele Jahrzehnte in Bethel und an vielen anderen Stellen tätig. Sie haben die Entwicklungen unserer Stiftungen sowie viele Bereiche von Kirche und Diakonie geprägt (vgl. Nazareth Brief 1-2024, www.nazareth.de).

Anlässe für die Beendigung waren vor allem die rechtlichen Rahmenbedingungen, die das Instrument der Entsendung und damit der Arbeitnehmerüberlassung immer enger fassen. Zudem ist die Zahl der Entsendungen in den letzten Jahrzehnten erheblich zurückgegangen. Insbesondere externe Träger und Einrichtungen haben kein Interesse mit den Stiftungen Sarepta und Nazareth Entsendungsverträge zu schließen. Gleiches gilt für jüngere Diakoninnen und Diakone, die ihre Angelegenheiten selbst mit dem Dienstgeber verhandeln wollen. Zuletzt haben auch wirtschaftliche Gründe die Beendigung der Entsendungspraxis notwendig gemacht, weil angesichts der zusehends kleiner werden Gruppe und der zurückgehenden Erträge für die Personalarbeit erhebliche Defizite für die Stiftungen zu verzeichnen waren. Vor diesem Hintergrund war eine Weiterentwicklung qualitativ guter Personalarbeit durch die Stiftungen nicht mehr möglich.

Die Entscheidung hat bei einigen entsendeten Schwestern und Brüdern Irritationen und Sorgen ausgelöst. Zahlreiche Gesprächsforen und schriftliche Informationsschreiben gemeinschaftliche Veranstaltungen trugen zur Nachvollziehbarkeit der Entscheidung bei. In vielen Einzelgesprächen konnten die Rahmenbedingungen von Überleitungen an die jeweiligen Dienstgeber geklärt werden. Hierbei erwies sich der Beschluss des Vorstands der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel als hilfreich, dass alle internen Entsendungsverträge unter Anerkennung aller bislang bestehenden Rechten und Pflichten (einschließlich derzeitige tarifliche Vergütung und sonstige Regelung, Anerkennung der bestehenden Beschäftigungszeit etc.) in direkte Dienstverträge mit den jeweiligen Stiftungs- und Unternehmensbereichen übergeleitet werden. Auch mit zahlreichen externen Dienstgeberinnen und Dienstgebern konnten gleiche Überleitungsbedingungen ausgehandelt werden. Bis zum Juni 2024 konnten bereits zwei Drittel aller internen Entsendungsverträge übergeleitet werden. Mit externen Trägern wird dies bis Jahresende weitgehend abgeschlossen sein. Dort, wo für Schwestern und Brüder Sareptas und Nazareths tatsächlich Nachteile entstehen und eine einvernehmliche Überleitung nicht möglich ist, werden Entsendungen fortgeführt.

Mit der Vorstandsentscheidung ging der Auftrag einher, ein Konzept der internen Beauftragung von diakonisch qualifizierten Fachkräften zu erarbeiten. Dies war trotz 140 Jahren Entsendungspraxis in den v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel nicht gelungen. In den sich zunehmend säkularisierenden und pluralisierenden Lebens- und Arbeitsbedingungen ist die Klärung und Arbeit am diakonischen Profil und die Entwicklung zeitgemäßer und einladender Kulturformen evangelisch-diakonischer Identität wichtiger denn je. Hieran arbeiten gegenwärtig mehr als 130 doppelt qualifizierte Diakoninnen, Diakone und Diakonissen in allen Arbeitsfeldern Bethels mit. Ihnen gute, geklärte und profilierte Rahmenbedingungen an die Seite zu stellen betrachten wir als eine lohnende und zukunftsträchtige Herausforderung, der wir uns als Stiftungen, als Gemeinschaften gemeinsam mit den Schwestern und Brüdern sehr gerne stellen.

Zukunftsthema Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit ist ein wichtiges Zukunftsthema und treibt auch die Stiftungen und Unternehmen im Verbund der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel an. Grundsätzlich sind dabei alle Maßnahmen, die dazu beitragen, den Energieverbrauch zu reduzieren, die Nutzungsdauer von Wirtschaftsgütern zu verlängern oder Abfall wieder in den Kreislauf der Wirtschaft einzubringen, von großer Bedeutung. Unsere Mitarbeitenden sind gebeten dies an möglichst vielen Stellen umzusetzen. Dies kann aber leider nur zum Teil gelingen. So wird in der Pflege auch mit Einwegartikel wie Waschhandschuhen gearbeitet, obwohl wir Stoffwaschlappen vorhalten. Einwegartikel sind oft einfach verfügbar und dazu schneller und leichter zu entsorgen als waschbare, wiederverwendbare Waschlappen aus Stoff. Dazu ist dieses Verfahren bisher auch kostengünstiger. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Pflege ist also kein Vorwurf zu machen. Nachhaltig ist dieser Weg aber nicht, er führt zu viel Abfall. Zielführend wäre die Verwendung möglichst ökologisch hergestellter Textilien. Noch ist ein solches Kreislaufsystem aber teurer. In einem ökonomisch eng ausgestatteten System stellen Kosten ein wesentliches Argument dar.

Die Einsparung von Energie sind ein weiterer wesentlicher Faktor für den nachhaltigen Betrieb von Einrichtungen. Zumindest in den pflegesatzfinanzierten Bereichen der Altenhilfe und in den Hospizen wird sparsamer Energieverbrauch nicht honoriert. Im Gegenteil: Die durch Einsparungen erzielten finanziellen Mittel werden in der Regel in den nachfolgenden Jahren aus den Pflegesätzen gekürzt. Die zur Verfügung stehenden Finanzmittel reichen dann nicht mehr aus, um weitere Verbesserungen umzusetzen. Umgekehrt werden die Mittel, welche für die Umstellung eines Pflegeheims auf Energiesparbeleuchtung erforderlich sind, nicht aus den Investitionskostenförderungen der Kostenträger bereitgestellt. Eine Strategie zur Verbesserung der ökologischen Bilanz sollte aber refinanziert werden, da sie langfristig die öffentliche Hand und die Sozialkassen entlasten. Die Problematik ist zum Glück in der Politik angekommen, und auf Landes- und Bundesebene arbeiten verschiedene Gremien und Ausschüsse - auch unter unserer Beteiligung - um hier in den Gesetzen und Verordnungen bessere Regelungen zu finden. Wann diese aber konkret werden, ist offen.

Darüber hinaus haben der europäische und der deutsche Gesetzgeber eine Reihe von Regelungen aufgestellt, um den Fragestellungen zu Nachhaltigkeit, ökologischer und sozialer Verantwortung nachzukommen. Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz verfolgt durchaus eine begrüßenswerte Zielsetzung, allerdings führt es auch zu einem spürbar höheren Bürokratieaufwand. Jeder Einkauf muss in seiner Lieferkette nachvollziehbar und überprüfbar sein. Im Rahmen der Evaluierung des Lieferantenstamms der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel wurden tausende Lieferanten bewertet und darüber hinaus zur Offenlegung ihrer eigenen Lieferanten aufgefordert. Dies soll Kinderarbeit und ökologisch zweifelhaftes Handeln von Handel und Industrie verhindern. Die Umsetzung stellt uns jedoch vor große Herausforderungen. In der Konsequenz kann dies auch Einschränkungen unseres Handlungsspielraums führen. Bisher war es beispielsweise möglich, dass Ehrenamtliche des Hospizes Waren für ein Wunschessen für Gäste einkauften. Das wird zukünftig kaum noch möglich sein, da der organisatorische Aufwand die geforderten Nachweise zu führen viel zu hoch ist. Wir können also nur noch bei Großhändlern einkaufen, die uns entsprechende Bescheinigungen liefern.

Bethel ist als Verbund so groß, dass es schon in Kürze die Regelungen zum europäischen "Green Deal" erfüllen muss. Dazu ist eine Berichterstattung nach der europäischen Nachhaltigkeitsverordnung (CSRD) zu erstellen. Diese Berichte mit mehreren hundert Fragen sind von uns zu erstellen, mit Zahlen zu belegen und durch Wirtschaftsprüfer zu begutachten. Ohne die Zielsetzung in Frage stellen zu wollen: Der bürokratische Aufwand ist immens, er benötigt viel Geld und Zeit ohne dass sich die Qualität der Versorgung von Alten, Kranken oder Sterbenden unmittelbar verbessert.

Im Rahmen der uns zur Verfügung stehenden Mittel versuchen wir diese Regelungen und weitere Schritte zur Verbesserung der Nachhaltigkeit umzusetzen.

Zukunftsthema mentale oder psychische Gesundheit

Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen

Bereits im zurückliegenden Jahresbericht hatten wir darüber berichtet, dass das Thema der Gesundheit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sich während und noch mehr nach der Corona Krise sehr in den Vordergrund gerückt ist. Hohe krankheitsbedingte Ausfallzahlen bis zu 25 % sind nicht nur in der Sozialwirtschaft ein drängendes Problem geworden. In den v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel wird intensiv zum Thema gearbeitet. Unter anderem erscheinen alle zwei Jahre Gesundheitsberichte, die Aufschluss geben über Erkrankungsraten, Krankheitsdiagnosen und Ursachen. Augenfällig ist, dass psychische Belastungsstörungen und Erkrankungen deutlich zugenommen haben und mittlerweile die häufigste Ausfallursache bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist (vor den Atemwegs- und Muskel-Skelett-Erkrankungen). Dies führt häufig zu längeren krankheitsbedingten Ausfällen, was wiederum das System in Teams und Einrichtungen sehr belastet. Ein Teufelskreis! Auch die Berufsgenossenschaften, die den Auftrag wahrnehmen, gute und sichere Arbeitsbedingungen für Mitarbeitende zu fördern, haben zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um dem Problem zu begegnen. U. a. wurde nun allen Einrichtungen in der Sozialwirtschaft eine „Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen“ konzipiert, die alle drei Jahre durchzuführen ist. In den Stiftungen Sarepta und Nazareth haben wir auf der Grundlage einer Dienstvereinbarung mit den Mitarbeitendenvertretungen im Februar 2024 eine Befragung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durchgeführt. Hieran haben sich knapp 50 % beteiligt. Alle Bereiche, Einrichtungen und Dienste haben eigene Auswertungen erhalten und konnten mit den Ergebnissen weiterarbeiten und Maßnahmenpläne entwickeln, um Problemen und Herausforderungen zu begegnen.

Befragungsschwerpunkte waren Arbeitsinhalt und Arbeitsaufgabe, Arbeitsorganisation, soziale Beziehung (Team und Führungskräfte), Arbeitsumgebung und Ausstattung, neue Arbeitsformen (digitale Ausstattung, Homeoffice etc.).

Die Ergebnisse wurden nach den Feldern Bildungsbereich, Hilfefelder und Pflege- und Betreuungsdienste (Bethel ambulant) ausgewertet. Hierbei war auffällig, dass Arbeits- und Belastungssituationen im Bildungsbereich besser bewertet wurden als in den ambulanten und stationären Hilfefeldern. In den Hilfefeldern war abzulesen, dass in stationären Pflegeeinrichtungen psychische Belastungen höher eingeschätzt wurden als in ambulanten. In allen Bereich erwies sich die Frage der Arbeitsorganisation (Frage: Können Sie Ihre Arbeitsaufgabe überwiegend ohne Störungen und Unterbrechungen erledigen?) als besonders belastungsanfällig. Auch wurden vielfach mangelnde Möglichkeiten und Räumlichkeiten für störungsfreie Pausen angemerkt. Das Erleben von Diskrepanzen zwischen eigenen Qualitätsansprüchen und tatsächlich zu leistender Arbeit ist ebenso Quelle für Belastungsempfinden, wie auch das Gefühl, die Arbeit in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu schaffen.

Was also ist zu tun und wie können wir gesundheitlichen Belastungen und Risiken bestmöglich begegnen? Mit den Ergebnissen der Befragung haben wir übergreifend aber auch sehr konkret auf Einrichtungen und Dienste gute Grundlagen für Ursachen von Belastungen und Gefährdungen erhalten. In moderierten Workshops unter breiter Beteiligung der Mitarbeitendenschaft konnten alle Bereiche eigene Problemanalysen vornehmen und Maßnahmen entwickeln. Weit über 100 Maßnahmen wurden so gefunden, von ganz kleinen und kurzfristigen Lösungen bis zu komplexen und länger dauernden Lösungs- und Klärungsprozessen.

Wir sind dankbar für ein außerordentlich hohes Engagement in der Mitarbeitendenschaft und bei den für die Durchführung des Befragungs- und Auswertungsprozesses verantwortlichen Kolleginnen und Kollegen. Die Rahmenbedingungen in der Sozialwirtschaft und besonders in der Pflege sind schwierig und verlangen Vielen Vieles ab. Daran können wir nur sehr bedingt etwas ändern. Es ist und bleibt aber wichtig, dass wir über Gesundheit und Belastungen im Gespräch sind und bleiben. Unser Prozess hat viele Stellschrauben ergeben, die wir beeinflussen können. Und in drei Jahren knüpfen wir mit einer erneuten Befragung an die zurückliegende an und werden hoffentlich erfahren, ob die Maßnahmen, die wir bis dahin ergreifen konnten tatsächlich geholfen haben.

Über die Gefährdungsbeurteilung hinaus haben wir uns in 2023 und 2024 in zwei Führungskräfteklausuren intensiv den Themen gesundheitsförderndes Führen und der gesundheitlichen Situation von Führungskräften gewidmet. Hierzu haben wir externe Expertinnen und Experten eingeladen, uns auf den neuesten Stand der Erkenntnisse in der Gesundheitsförderung zu bringen. Intensiven Beratungen folgen auch hier Umsetzungs- und Fortbildungskonzepte, wie das Thema der Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz noch mehr zum Gegenstand professionellen Führungshandelns werden können.

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Stiftungen Sarepta und Nazareth in den
v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel
Nazarethweg 5
33617 Bielefeld

Die v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel sind wegen Förderung mildtätiger, kirchlicher und als besonders förderungswürdig anerkannter gemeinnütziger Zwecke nach dem Freistellungsbescheid bzw. nach der Anlage zum Körperschaftsteuerbescheid des Finanzamtes Bielefeld-Außenstadt, StNr. 349/5995/0015, vom 26.03.2020 für den letzten Veranlagungszeitraum nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes von der Körperschaftsteuer und nach § 3 Nr. 6 des Gewerbesteuergesetzes von der Gewerbesteuer befreit.